v i m u . i n f o
Dansk version
grenzen politik wirtschaft gesellschaft kultur meer

Erinnerungen an den Demonstrationszug durch Kiel am 3. November 1918

Um diese Inhalte anzusehen, wird der Flashplayer 9 benötigt. Zum Download

Zwei Zeitzeugen schildern ihre Erinnerungen an den Demonstrationszug der Aufständischen durch Kiel am 3. November 1918, der in eine Schießerei mündet, bei der sieben Menschen getötet und 29 Menschen verletzt werden. Beide schildern ihre persönliche, sich teilweise widersprechende Sicht der damaligen Ereignisse, die zum Zeitpunkt der Interviews sehr lange zurückliegen.

Der 1900 in Kiel geborene, spätere Schauspieler, Sänger und Regisseur Ernst Busch nahm am Demonstrationszug teil. Wilhelm Kleineweber war als Angehöriger der 1. Torpedodivision einer jener Soldaten, die sich der aufständischen Menge entgegenstellen mussten.

Quelle: Welle Nord Zeitzeugenarchiv, CD 002 und 003
Texttranscription ausblenden

"(Wilhelm Kleineweber) Wir wurden abends oder nachmittags zusammengerufen, soweit ich heute noch in Erinnerung habe, wir wussten gar nicht, was los war. Dann wurden wir zusammengestellt und zwar, soweit ich das noch in Erinnerung habe, waren das drei Korporalschaften, das war also ein Zug von einer Kompanie. Unter der Leitung von Leutnant Steinhäuser marschierten wir zur Feldstraße. Uns wurde dort klar gemacht in der Feldstraße, von Leutnant Steinhäuser, dass ein Trupp vom Viehburger Gehölz, wenn ich das in Erinnerung habe, im Anmarsch wäre. Die wollten das Arrestgebäude in der Feldstraße stürmen und die Gefangenen befreien. Unsere Aufgabe war es diese Gefangenen zu schützen, das Arrestgebäude zu schützen. Und so marschierten wir in die Feldstraße und zwar bis zum langen See, Feldstraße, Langersee, Karlsstraße, was heute Feldstraße ist, war Karlsstraße, Karlsstraße existiert, glaube ich, nicht mehr. Und da war eine Kette gezogen von Schutzleuten, Schutzleuten von der blauen Schutzmannschaft in Kiel. Und wie nun der Zug kam, ich kann Ihnen keine Uhrzeiten mehr sagen, das ist mir entfallen. Wie der Zug nun kam, wurden die Schutzleute sofort blitzartig aufgerieben und die türmten in den Langen See hinein. Und dann ging der Leutnant Steinhäuser vor uns vorweg zu der Spitze des Zuges, das war ein unheimlich langer Zug gewesen, man sprach von 20.000 Mann. Die Mengenunterschiede sind so groß, dass ich Ihnen gar nicht sagen kann, ich habe das ja auch nicht miterlebt. Und dann ging der Leutnant Steinhäuser vorweg und mahnte, sie sollten vorsichtig sein, sie sollten zurückgehen und sofort und soweiter und dann ist ein Schuss gefallen. Woher der Schuss gekommen ist, kann ich Ihnen nicht sagen, man hat einmal festgestellt, der Schuss soll von uns aus gekommen sein. Ich kann es nicht bestreiten, ich glaube es aber nicht. Ich glaube eher, dass er aus der Menge gekommen ist, die waren ja alle bewaffnet schon. Jedenfalls wurden wir überrumpelt. Der Leutnant Steinhäuser kriegte, soweit ich das mitbekommen habe, einen mit dem Kolben über den Schädel und er wurde dann in dieses Lokal neben dem Stadtcafe hineingeschleppt und wir waren der Meinung, sie hätten ihn totgeschlagen. "

"(Ernst Busch) Und wir auch! Wir standen doch jetzt an der St. Jürgens-Kirche und haben da den Zug herankommen sehen, da waren auch Freunde, die wir kannten. Und wir gingen nun mit durch die Holstenstraße über den Markt und an dem Schloss vorbei auf die Universität zu. Und immer kamen zu uns noch mehr Leute, die mitzogen. Aber, das Gros waren natürlich Matrosen. Die anderen wussten eigentlich gar nicht, was ist los. Wer nun Begriff, was da los war, der zog mit und wir auch. Und wir kamen dann so kurz um die Ecke herum bei der Universität und da kam ein furchtbares Geschrei und Getute. Da kam ein Feuerwehrwagen und sprengte die Masse auseinander. Alles flog natürlich zur Seite. Wenn ein Ding da so mit Volldampf runterkommt, ist es nicht sehr erfreulich. Aber, dann immer wieder die Soldaten und die Matrosen immer: „los, weiter, weiter, weiter….“ Und dann kamen wir hier oben an dieses große Vergnügungslokal, an der Ecke Brunswicker- und der Karlsstraße, da war eine Barriere gemacht von den Marinesoldaten, wir nannten sie immer Schaschierte. Also, mehr oder weniger Unteroffiziere, Feldwebel, die hatten quer über die Straße so eine Barrikade gemacht. Davor stand ein Leutnant mit erhobenem Degen, der immer sagte: „Zurückbleiben, ich lasse schießen. Zurückbleiben, ich lasse schießen.“ Aber, von hinten wusste es ja keiner. Und die drängten natürlich die Masse immer näher ran. Man konnte nicht so schnell da weg. Und ich kam bei dieser Gelegenheit an diese Litfasssäule. Erst gab es eine Salve, wo nichts war. Die schießen, die haben doch Platzpatronen, wurde uns erzählt. Und nun drängten auch alle, die Matrosen ja, es waren ja auch Zivilleute dabei. Von beiden Seiten kamen die dann und wollten in diese Straße hinein. Und da hat er dann wirklich schießen lassen. Wir hatten 8 Tote und 30 mindestens verwundete. "

Um diese Inhalte anzusehen, wird der Flashplayer 9 benötigt. Zum Download
audioDidaktische Bemerkungen
audioZusatzmaterial
case storyFallbeispiele
multimediaMultimedia
photosAbbildungen
audio Audio
sourceQuellen
quotesZitat
imageBiografien
lexiconLexikon
bibliographyLiteratur