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Bewertungintegration

Die Schlussstrich-Politik äußerte sich in der Arbeit des ersten deutschen Bundestages. Ausnahmslos alle Fraktionen propagierten die Beendigung, teilweise die Rücknahme der politischen Säuberung. Darin erkennt der Historiker Norbert Frei eine regelrechte "Vergangenheitspolitik": Die junge bundesdeutsche Demokratie habe sich durch Integrationsangebote an NS-Eliten ihre innergesellschaftliche Anerkennung erkauft. Im Konzert der Gesetzgebung gaben die nationalen Klientelparteien DP und FDP Marschrute und Ton an, die Volksparteien CDU und SPD folgten, sogar die Kommunisten mochten nicht abseits stehen. Auch die alliierten Siegermächte empfanden im "Kalten Krieg" weitere politische Säuberungen inzwischen als Störungen.

Positiv formuliert ging es bei der Beendigung der "Entnazifizierung" und der Reintegration von Funktionsträgern mit nationalsozialistischer Vergangenheit in der Tat um die Integration ehemaliger NS-Funktionseliten in die westdeutsche Nachkriegsdemokratie. Wie der Historiker Ulrich Herbert herausgestellt hat, zahlten die Betroffenen für ihre gesellschaftliche und berufliche Reintegration mit der Aufgabe ihrer politischen Werte und Ziele: Nationalsozialistische Ziele verfolgte man nicht mehr, sondern funktionierte wieder, im neuen System, in dessen Öffentlichkeit, auch im Parteienstaat, trug in gewisser Weise zum Gelingen des demokratischen Versuchs bei, konnte dafür den "angestammten" gesellschaftlichen Platz wieder einnehmen. Diese bundesrepublikanische Integration stellt also eine nicht zu unterschätzende gesellschaftliche Leistung dar, die allerdings mit fortgesetzter Benachteiligung der ehemaligen NS-Opfer, mit Unehrlichkeit und Vergangenheitsbereinigung, also mit ganz erheblichen Ungerechtigkeiten und moralischen Kosten verbunden war.

Ob Schleswig-Holstein in Sachen "Vergangenheitsbewältigung" wirklich die oft behauptete "Sonderentwicklung" durchmachte, ob die unbestreitbare Tatsache der Fluchtbewegung am Ende der NS-Zeit reale vergangenheitspolitische Folgen hatte, die aus dem bundesdeutschen Rahmen fielen, lässt sich empirisch abgesichert nicht beantworten, allenfalls vermuten. Es wäre nämlich auch denkbar, dass das Land in den 1950er und 1960er Jahren nur besonders plump und damit erfolglos kaschierte, was die westdeutsche Gesellschaft insgesamt auszeichnete: personelle Kontinuität und entsprechende Verdrängung der Vergangenheit.

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