v i m u . i n f o
Dansk version

Der "Ostersturm" © izrg

"Wir ringen um die Freundschaft des Nordens, aber in dem Gefühl, daß uns bitteres Unrecht geschehen ist. Wir wollen dem Norden die Hand geben und die seine nehmen; wenn die Freundschaft aber aus tiefster Seele kommen soll, so ist die Voraussetzung, daß ein Unrecht nicht für alle Zeiten bestehen darf, und ein Unrecht ist uns zugefügt worden mit der Abtrennung Nordschleswigs. ... Wir können warten, wir warten, aber mit zusammengebissenen Zähnen. Wir setzen uns aber ein mit ganzer Kraft für Nordschleswig." So der grenzpolitische Sprecher der schleswig-holsteinischen NSDAP, Pastor Johann Peperkorn am 24. Februar 1933 auf einer Veranstaltung der Flensburger Nationalsozialisten; es folgt der Appell "Volk will zu Volk!"

Diese Ausführungen Peperkorns sorgen für Unruhe auf beiden Seiten der Grenze: Die dänisch Gesinnten reagieren hellhörig auf diese Angriff auf die Bestimmungen des "Versailler Vertrages"; die deutsche Minderheit in Nordschleswig beginnt wieder auf eine Rückkehr ins Deutsche Reich zu hoffen. Peperkorns Worte bilden den Auftakt für eine weder mit der NS-Führung in Berlin, noch in Schleswig-Holstein abgestimmte Kampagne einiger Nationalsozialisten im nördlichen Schleswig-Holstein im Zuge der Machtübernahme: Sie streben an, die seit 1920 feststehende deutsch-dänische Grenze erneut nach Norden zu verschieben. Der Plan ist es, die deutsche Minderheit in Nordschleswig zunächst zu "nazifizieren", um die deutschen Nordschleswiger zu einem späteren Zeitpunkt "heim ins Reich" zu holen.

Knapp einen Monat später erhält der Konflikt neuen Zündstoff. Am 24. März 1933 spricht der neue Vorsitzende des "Schleswig-Holsteiner Bundes", Dr. Wilhelm Sievers, auf einer Veranstaltung anlässlich des 85. Jahrestags der schleswig-holsteinischen Erhebung von 1848 klar aus, was einige der schleswig-holsteinischen Nationalsozialisten anstreben: "Wir wollen Nordschleswig wieder haben!" - Solch aggressive Parolen sind nach 1920 kaum mehr öffentlich geäußert worden.

Die dänische Regierung verhält sich weiterhin abwartend, die Presse in Dänemark, aber auch im übrigen Skandinavien, England und Frankreich protestiert aber scharf gegen die Äußerungen Sievers und Peperkorns. Doch auch das Auswärtige Amt in Berlin greift ein: Es beschließt, über die schleswig-holsteinische Gauleitung beschwichtigend auf Sievers einzuwirken. Den führenden Außenpolitikern des Deutsche Reiches liegt nichts an einer aktuellen Diskussion der Grenzfrage im Norden des Reiches. Sie wollen im Moment keinen offenen Konflikt mit Dänemark und Skandinavien: Es gibt dringendere Probleme zu lösen, außerdem empfinden sie einen kaum lösbaren Interessenkonflikt zwischen den auch von ihnen scharf kritisierten Regelungen des Versailler Vertrages und dem "nordischen" Gedanken: Nach diesen Vorstellungen streben die Nationalsozialisten eine auf der Idee der gemeinsamen "germanischen" Rasse begründete, enge Zusammenarbeit mit Skandinavien unter nationalsozialistischer Vorherrschaft an.

In der Zwischenzeit erreicht die Grenzkampagne in den Tagen vor Ostern ihren Höhepunkt - daher der Name "Ostersturm": Peperkorn wiederholt Anfang April die Forderungen nach der Grenzrevision durch direkte Verhandlungen zwischen Kopenhagen und Berlin. Zur Vorbereitung dieser Pläne kündigt er die Gründung zahlreicher deutsch-nationalsozialistischer Organisationen in Nordschleswig an, um die deutsche Minderheit im nationalsozialistischen Sinne zu beeinflussen.

Auch wenn die dänische Regierung weiterhin auf offizielle Erklärungen verzichtet, um eine weitere Eskalation im "Grenzkampf" zu vermeiden, beschließt sie eine Stärkung des Grenzschutzes und verhängt ein Uniform-Verbot für die Bevölkerung. Die deutsch-dänischen Beziehungen sind mittlerweile durch das radikale Auftreten der "Ostersturm"-Aktivisten ernsthaft belastet. Deshalb sieht sich die Reichsregierung zu offiziellen Stellungnahmen gezwungen, um die Wogen zu glätten: In mehreren Reden, Interviews und Zeitungsartikeln betonen führende Politiker "das nordische Element im deutschen Volkswesen", versichern, dass Deutschland nicht im Konflikt zu Dänemark stehe und die Provokationen von Peperkorn und Sievers "inoffizielle deutsche Auslassungen" seien, die nicht im Namen der NSDAP geschehen seien.

In Nordschleswig rückt die dänisch gesinnte Bevölkerung näher zusammen: Sozialdemokraten und Konservative fordern in Aufrufen und Resolutionen die Sicherung der Grenze und den Kampf gegen nationalsozialistische Eingriffe in Nordschleswig, große Kundgebungen und Demonstrationen finden statt, dänisch-nordschleswigsche Abordnungen reisen in dieser Angelegenheit zur Regierung nach Kopenhagen und zum König. Als Sievers im Mai 1933 zum Landrat des Landkreises Flensburg ernannt wird, fragt sich die dänische Seite erst recht, wie ernst Berlin die beruhigenden Worte wirklich meint. Der Verdacht eines deutschen "Doppelspiels" erhärtet sich auf der dänischen Seite, als Adolf Hitler in einer Rede am 17. Mai 1933 wiederum zu beruhigen sucht, während Sievers bei seinem bisher vertretenen, aggressiven Kurs bleibt. Nun greift das Auswärtige Amt durch und prüft die Rede, die Sievers bei einer schon seit Langem geplanten "Grenzlandkundgebung" am 18. Juni halten will, vorher; mit Erfolg: Die Grenzlandkundgebung in Rendsburg übt eine beruhigende Wirkung auf Dänemark aus.

Letztendlich hat sich Berlin in der Grenzfrage durchgesetzt: Die Reichsregierung hat den übereifrigen schleswig-holsteinischen Nationalsozialisten einen "Maulkorp" verpasst und es geschafft, Dänemark zu beruhigen. Doch die Nazifizierung der deutschen Minderheit in Nordschleswig setzt sich fort und die Agitatoren Peperkorn und Sievers machen weiterhin Karriere. Außerdem hat die deutsche Regierung die bestehende Grenze auch während des Ostersturms nicht offiziell und endgültig anerkannt. Ein Zeichen, das in die Zukunft weist?

Um diese Inhalte anzusehen, wird der Flashplayer 9 benötigt. Zum Download
case storyFallbeispiele
multimediaMultimedia
photosAbbildungen
quotesZitat
metainfoKommentar der Autoren
imageBiografien