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Emigration jüdischer Kinder © izrg

"Ich habe gefühlt, dass ich das nicht aushalten würde" - so deutet die gebürtige Kielerin Lotti Bauer im Nachhinein ihre Gefühlslage zur Zeit der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten. Auch wenn sie persönlich zunächst als blonde Jüdin nicht unter Anpöbeleien zu leiden hat, erlebt sie, wie man Anderen "Jude Itzig" und "Juda verrecke" nachruft. Besonders beängstigend findet sie die Aufmärsche der SA auf dem Exerzierplatz, die sie von ihrer Wohnung aus beobachten kann. Ihre Eltern gehören zu den "Ostjuden", da sie 1919 aus Galizien ausgewandert sind. Sie zeigen wenig Verständnis, als ihre 14-jährige Tochter 1933 verkündet, dass sie Deutschland auf jeden Fall verlassen möchte. Bereits im März 1934 wandert Lotti mit einer Gruppe der "Jugend-Alija" nach Palästina aus, wo bereits ihr älterer Bruder Daniel lebt. 1935 folgen ihre Eltern mit dem Bruder Hans. Die beiden verheirateten Geschwister Regina und Hermann wandern drei Jahre später nach England beziehungsweise in die USA aus.

Lotti erlernt durch ihre Aufgabe im Kibbuz "Ein Harod" - sie betreut dort Kinder - schnell die hebräische Sprache. 1936 verlässt sie die Gruppe und baut mit anderen Jugendlichen aus Deutschland, Palästina und Polen bei Haifa einen neuen Kibbuz "Alonim" (zu deutsch "Die Eichen") auf, wo sie einige Jahre später - nach einer pädagogischen Ausbildung in Tel Aviv - als Kindergärtnerin und Grundschullehrerin arbeitet. 1953 ermöglicht ihr eine Stelle in Haifa bei der Jugend-Alija ein Psychologiestudium. Sie betreut und berät ab sofort weiterhin ihre Kibbuzniks, vor allem neu eingewanderte Jugendliche. Denn die Jugend-Alija übernimmt nicht nur die Organisation der Einwanderung der Jugendlichen nach Palästina, sondern kümmert sich auch in den ersten zwei Jahren um deren Erziehung im fremden Land. Nach 1970 lebt Lotti B. nicht mehr in Alonim. Sie fühlt sich der Kibbuz-Erziehung jedoch weiterhin verbunden und hält zur Verbreitung der Idee Vorträge vor deutschen Austauschgruppen.

So wie Lotti Bauer fliehen viele jüdische Kinder und Jugendliche aus dem nationalsozialistischen Deutschland und bauen sich in einem fremden Land eine neue Zukunft auf. Vor Kriegsbeginn stehen ihnen drei Möglichkeiten der Auswanderung offen: Nimmt der Jugendliche die Hilfe der Jugend-Alija in Anspruch, so muss er sich bewusst und gründlich auf die Ausreise vorbereiten. Bei einer illegalen Flucht nach Palästina oder in andere Länder vertrauen sich die Jugendlichen Schlepperorganisationen an oder reisen mit einem Touristen-Visum ein. Sie leben in ständiger Angst, jederzeit wieder ausgewiesen zu werden. Sie finden selten familiären Rückhalt und haben es besonders schwer, die fremde Sprache zu erlernen. Meistens werden jedoch die "Kindertransporte" genutzt, um die Kinder und Jugendlichen aus Deutschland, Polen, der Tschechoslowakei und Österreich ins sichere Ausland zu bringen; nach der Reichspogromnacht im November 1938 vor allem über England in die USA. Eltern, Verwandte oder Organisationen müssen für das Visum eine Garantiesumme von 50 Pfund aufbringen. Es reichen gültige Reisepapiere. Meist dürfen zunächst die Kinder ausreisen, die selbst interniert oder deren Eltern bereits verhaftet worden sind. Oft erfahren die Kinder erst sehr kurzfristig von ihrer baldigen Abreise. Der meist unvorbereiteten Trennung von den Eltern, der Familie und Freunden folgt die Reise in ein fremdes Land, wo die Kinder zunächst in Heimen oder Pflegefamilien untergebracht sind. Die Erfahrungen, die sie dort machen, sind sehr unterschiedlich: Während manche Familie die Kinder liebevoll als neue Familienmitglieder aufnehmen, missbrauchen andere sie als billiges Dienstpersonal.

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