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"Verbotener Umgang" in Schellhorn © izrg

Der Landarbeiter L. meldet irgendwann im Oktober 1942 dem Bürgermeister von Schellhorn im Landkreis Plön, er habe beobachtet, wie die Landarbeiterin B., Frau des im "Osten stehenden" Landarbeiters B., die mit ihren drei Kindern auf dem gleichen Gut wie er untergebracht sei, einen serbischen Kriegsgefangenen umarmt habe.

Der serbische Kriegsgefangene K. wird daraufhin ausgetauscht. Die Landarbeiterin B. bringt am 8. Dezember ein Kind zur Welt. Am 9. Dezember 1942 sendet der Bürgermeister ein Schreiben an die Staatsanwalt in Kiel, in dem er diese Sachlage schildert und berichtet, dass das Kind scheinbar aus dieser Beziehung hervorgegangen sei "und nicht von ihrem Ehemann (stamme), da dieser zu fraglichem Zeitpunkt keinen Urlaub hätte..."

In der Zwischenzeit hat der Gendarmerie-Einzelposten D. in Schellhorn auf diese Vermutungen des Bürgermeisters hin ermittelt, wie er in seinem Bericht an seinen Dienstherrn, den Landrat des Kreises Plön, Klaus Meyer, am 12. Dezember meldet. Er befragt zunächst Landarbeiter L.: Dieser berichtet, dass er auf die "Zuneigung" der B. zu serbischen Kriegsgefangenen schon vor längerem aufmerksam geworden sei. Eines Oktoberabends sei er ihr mit einer Taschenlampe in den Schweinestall nachgegangen und habe gesehen, wie sich B. und der serbische Kriegsgefangene umarmt hätten. Bei der Vernehmung des Landarbeiters F., der ebenfalls auf dem Gut beschäftigt ist, gibt dieser fast das gleiche zu Protokoll.

Am 28. 12. 1942 vernimmt die örtliche Polizei die Beschuldigte: Sie gibt zu, den Kriegsgefangenen als Gegenleistung für Hilfen bei der Arbeit Zigaretten überreicht zu haben. Umarmt habe sie sie aber nicht. B. gibt an, der Arbeiter F. verleumde sie, weil sie ihn "seinerzeit abgewiesen" habe. Mit dem Arbeiter L. habe sie seit 3 Jahren ein Verhältnis, er sei der Vater des Kindes, weigere sich aber, die Vaterschaft anzuerkennen.

Bei einer weiteren Vernehmung des Arbeiters L. gibt dieser zu, mit der Verdächtigen geschlechtlich verkehrt zu haben. Bezüglich der Vaterschaft wisse er jedoch nicht, ob er der Vater sei. Frau B. lüge.

Im Februar 1943 werden die Kriegsgefangenen N. und K. vernommen. Sie geben an: Ja, Frau B. habe ihnen Zigaretten gegeben, sonst habe jedoch kein näherer Kontakt stattgefunden.

Mittlerweile ist auch die Gestapo mit dem Fall beschäftigt. Das "Sondergericht" in Kiel hat angeordnet, die Gestapo möge Frau B. noch mal vernehmen und den Zeugen L. und F. gegenüberstellen. Denn möglicherweise beruhe die Anzeige von L. auf seinem Ansinnen, sich der Unterhaltspflicht zu entziehen. Im April 1943 vernimmt also ein Kriminalsekretär Frau B.: Jetzt gibt diese zu, mit dem serbischen Kriegsgefangenen N. im März 1942 einmal geschlechtlich verkehrt zu haben: "Bezüglich des Umgangs mit Kriegsgefangenen habe ich in der ersten Vernehmung, (...) die Wahrheit nicht gesagt. (...) Tatsächlich habe ich im März 1942 mit dem serbischen Kriegsgefangenen N. (...) einmal geschlechtlich verkehrt." Außerdem beschuldigt Frau B. den Landarbeiter L., sie zu einer Abtreibung des Kindes, mit dem sie schwanger war, genötigt zu haben.

Der Landarbeiter L., erneut vernommen, berichtet seinerseits, Frau B. habe ihn gebeten, bei einer Abtreibung behilflich zu sein. Beide werden nochmals gegenübergestellt, bleiben jedoch jeweils bei ihren gegensätzlichen Aussagen.

Am 4. Juni erhebt deshalb das Sondergericht Kiel Anklage gegen Frau B. Der Beauftragte Staatsanwalt Harder: "(Sie) wird angeklagt, (...) von März bis Oktober 1942 fortgesetzt vorsätzlich mit einem Kriegsgefangenen in einer Weise Umgang gepflegt zu haben, die das gesunde Volksempfinden gröblich verletzt und zwar in einem schweren Falle. - Verbrechen gegen § 4 der Verordnung zur Ergänzung der Strafvorschriften zum Schutze der Wehrkraft des Deutschen Volkes vom 25.11.1939." Beweismittel sind das Teilgeständnis und die Zeugenaussagen der Landarbeiter L. und F.

Die Staatsanwaltschaft fordert beim Amtsvorsteher in Schellhorn eine Beurteilung der Persönlichkeit der Täterin als Beweismittel an: Der Amtsvorsteher Riemann urteilt wie folgt: "Frau B. (...) ist eine üppig entwickelte Frau, die offenbar starke geschlechtliche Bedürfnisse hat. Im Umgang mit anderen Männern scheint sie nicht wählerisch zu sein. Das letzte Kind ist nicht von ihrem im Felde stehenden Ehemann, sondern soll von einem gewissen L. in Schellhorn sein. Als Arbeiterin ist sie sehr tüchtig und ersetzt einen Mann vollkommen. Ihr Lebenswandel lässt viel zu wünschen übrig."

In der Hauptverhandlung am 7. Juli 1943 verurteilt der Richter des Schleswig-holsteinischen Sondergerichts, Landgerichtsrat Rogge, Frau B. zu 1 Jahr Zuchthaus, 3 Monaten Ehrenentzug, 2 Jahren Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte und Übernahme der Verfahrenskosten. Ein Gnadengesuch des Ehemanns der Frau B. über eine Bewährungsstrafe wird mehrfach vom Sondergericht abgelehnt. Aus verschiedenen Gründen erhält sie jedoch zunächst Haftaufschub. Das Ende der nationalsozialistischen Herrschaft rettet sie vor Antritt der Strafe.

Im Januar 1946 wird dann die Hinfälligkeit der Verurteilung beschlossen und im August 1947 wird die Strafe auf Grundlage des Straffreiheitsgesetzes getilgt.

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