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Heinrich und Tine Bielenberg © izrg

"Ich glaube kaum, dass B. von seinen Ansichten zu heilen ist", urteilt im November 1938 der Anstaltsleiter der Justizvollzugsanstalt Lübeck-Lauerhof über den inhaftierten "Zeugen Jehovas" Heinrich Bielenberg aus Wilster. Der Kieler Oberstaatsanwalt lehnt darauf das Gnadengesuch ab, stattdessen liefert die Gestapo Bielenberg im Februar 1939 nach Abbüßung der regulären 12-monatigen Haftstrafe ohne neuerliche Verurteilung ins KZ Sachsenhausen ein.

Bielenberg gehört der Ende des 18. Jahrhunderts in den USA entstandenen Religionsgemeinschaft der "Zeugen Jehovas" an, die sich auf eine eigenständige Bibelauslegung beruft. Keine christliche Glaubengemeinschaft verfolgt das NS-Regime so hart wie die reichsweit etwa 25.000 bis 30.000 Anhänger: circa 10.000 werden inhaftiert, mindestens 1.000 als Kriegsdienstverweigerer ermordet oder sie sterben durch die - von den Amtskirchen gutgeheißene - Verfolgung in Haftanstalten oder Konzentrationslagern. Am 24. Juni 1933 erlässt auch die Provinzialregierung in Schleswig-Holstein das Verbot gegen die hier erst seit Kurzem missionierenden 500 Zeugen Jehovas. Obwohl die Sekte bis September 1934 den Weg der Anpassung versucht, auf missionarische Tätigkeit verzichtet und sich auf private Bibelstunden konzentriert, wird ihre Organisation zerschlagen. Zu sehr kollidieren sie in ihrer Lebensführung mit der NS-Volksgemeinschaft: Ihr Glaube an den einzigen Herrn Jehova verbietet ihnen die Teilnahme an politischen Wahlen, die Zugehörigkeit zu NS-(Zwangs)Organisationen, den Staatseid genauso wie den "Hitlergruß" und vor allem den Kriegsdienst. Ihre Verfolgung reicht von Bespitzelung und Hausdurchsuchungen über Geldstrafen bis zu Haftstrafen mit anschließender "Schutzhaft" im KZ unter besonders harten Bedingungen.

Im März 1938 hat das Schleswig-Holsteinische "Sondergericht" den "Wiederholungstäter" Bielenberg zum zweiten Mal nach 1935 wegen Ausübung seines Glaubens verurteilt, ebenso seine Frau Tine. Man legt ihnen nur "gemeinsame Zusammenkünfte" mit Glaubensgeschwistern, also regelmäßige Bibelstunden zur Last. Ihre Religionsgemeinschaft erschüttere "das Staatsgefühl des Einzelnen, seine Stellung zum Staat und seinen Gesetzen aufs schwerste", heißt es 1935 in der Urteilsbegründung. Das Amtsgericht Wilster entzieht den Eheleuten Anfang 1938 zudem das Sorgerecht für die fünf Kinder. Da Tine Bielenberg vor Gericht den Lehren ihrer Religionsgemeinschaft abschwört, wird sie aufgrund eines Amnestiegesetzes im Mai 1938 auf Bewährung entlassen.

Heinrich Bielenberg lässt nicht von seinem Glauben. Er leidet im KZ - wie alle seine durch den lila Winkel gekennzeichneten Glaubensbrüder - unter besonders harten Bedingungen: schwerste Arbeit, Isolierung, Misshandlungen. Denn ihre Unbeugsamkeit macht die Zeugen Jehovas, die ihr Widerstehen als religiöses Bekenntnis empfinden, zumindest zu speziellen Hassobjekten des Wachpersonals. Am 24. Februar 1940 stirbt Heinrich Bielenberg im KZ; angeblich an einem "Magen- und Darmkatarrh".

Die Vereinigung der Zeugen Jehovas in Schleswig-Holstein kann trotz mehrerer Verhaftungswellen bis Herbst 1937 in der Illegalität überleben, ihre verbotenen Schriften verteilen und an drei reichsweit koordinierten Flugblattaktionen teilnehmen. Bis April 1938 sind mindestens 267 der rund 500 schleswig-holsteinischen Zeugen Jehova in Haft.

Siehe auch:

Familie Bielenberg

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