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Erster Untersuchungsausschuss zur Aufklärung der "Barschel-Affäre" © izrg

In 80 Sitzungen mit über 100 Zeugenvernehmungen versucht ein Untersuchungsausschuss des Landtages unter dem Vorsitz des Juristen Klaus Klinger (SPD), die „Barschel-Affäre“ aufzuklären. Erkenntnisse zeigen einen bedenkenlosen Machtmissbrauch zum Machterhalt.

Im August 1986 hat der amtierende Ministerpräsident Uwe Barschel (CDU) den Vorstandsvorsitzenden des „Springer-Verlages“ in Hamburg, Peter Tamm, um Vermittlung eines Journalisten für das Wahlkampfjahr gebeten. Der Konzern „verleiht“ darauf Reiner Pfeiffer und zahlt Gehaltsdifferenzen. Der Chef der Staatskanzlei stellt Pfeiffer ein. Er befasst sich nur mit dem Wahlkampf Barschels. Im Januar 1987 beauftragt Pfeiffer einen Detektiv, Björn Engholm zu beschatten. Die Beschatter fallen Kriminalbeamten auf, ohne dass die „Zielperson“ Engholm von der Polizei darüber informiert wird. Im Februar 1987 geht im Finanzamt Lübeck eine anonyme Steueranzeige ein, die Engholm fälschlich unterstellt, nicht korrekt abzurechnen. Auch das erfährt der Oppositionsführer nicht. Dann die menschlich mieseste Aktion, ebenfalls im Februar: Als Arzt getarnt ruft Pfeiffer Engholm an und warnt, dass dieser eventuell an Aids erkrankt sei. Parallel bietet Pfeiffer der „Bild“-Zeitung die Geschichte „Engholm habe eventuell Aids“ an. Dies alles ist aus der Staatskanzlei heraus unter Mithilfe einiger Mitarbeiter der Regierung betrieben worden. Und es ist, so scheint es zumindest 1987/88, unter Anstiftung, Mithilfe und Wissen Barschels geschehen.

Der auf rätselhafte Weise am 11. Oktober in Genf gestorbene Barschel kann zu diesem Zeitpunkt keine Aussage mehr tätigen. Aber es erweist sich, dass er Mitarbeiter zu falschen eidesstattlichen Erklärungen genötigt hat: Sekretärinnen, ein Fahrer, der stellvertretende Pressesprecher und andere gestehen, dass sie für ihren Chef an Eides statt logen. Diese Unwahrheiten und der Nachweis, dass Barschel zumindest die anonyme Steueranzeige begleitet hat, überzeugt den Ausschuss davon, dass Barschel insgesamt der Haupttäter sei.

Am 5. Februar 1988 legt der Untersuchungsausschuss seinen 300-seitigen Abschlussbericht vor. Darin heißt es: „Der Untersuchungsausschuss musste mit Entsetzen feststellen, dass der Regierungschef des Landes seine Macht willkürlich zu Lasten seiner politischen Gegner missbraucht hat und dass einige Mitarbeiter in Regierung und CDU teils bewusst Mithilfe, teils unkritisch Hilfsdienste geleistet haben.“ Der politische Gegner sei „zum persönlichen Feind“ erklärt worden, dabei gelte: „Was im mitmenschlichen Umgang ehrenrührig oder unzulässig ist, darf auch in der Politik nicht angewendet werden.“

Die letzte Frage, ob Sozialdemokraten an der Aufdeckung der Affäre beteiligt waren, um die Landtagswahlen zu beeinflussen, führt zu keiner gemeinsamen Bewertung. Klaus Nilius, der zu diesem Zeitpunkt Pressesprecher von Björn Engholm ist, hat eingestanden, sich mit Pfeiffer viermal getroffen und Informationen über die Intrigen erhalten zu haben. Er will mit anderen darüber nicht geredet haben. Erst unmittelbar vor der ersten Veröffentlichung im „Spiegel“ habe er sich Günther Jansen offenbart. Darauf sind beide gemeinsam mit dem Hamburger Anwalt Peter Schulz am 7. September 1987 mit Pfeiffer im Lysia-Hotel in Lübeck zusammengetroffen. Sie hätten abgeraten, zum „Spiegel“ zu gehen, weil die Veröffentlichung „ein Totschlag gegen unseren Wahlkampfstil“ gewesen wäre. Björn Engholm habe man nicht informiert.

Die SPD-Mitglieder des Ausschusses schlussfolgern, von Manipulationen könne also keine Rede sein. Die CDU-Mitglieder kommen zu einer anderen Bewertung: Sie seien „zu der Überzeugung gelangt“, dass Nilius Engholm bereits im Sommer gezielt mit Informationen „gespickt hat“ und außerdem die erste Veröffentlichung „im wesentlichen auf Informationen basiert, die das Nachrichtenmagazin von einigen Sozialdemokraten erhalten haben muss.“ Diese Überlegungen weisen in die Zukunft, wie später eine Neuauflage der Affäre zeigen wird.

Siehe auch:

Interview Heiser

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