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Integrationsprobleme am Beispiel Schleswig-Holsteins © izrg

Die Gastfreundlichkeit gegenüber Gastarbeitern und später der entstehenden türkischen Minderheit hält sich von Beginn an in Grenzen. Schon in den 1970er Jahren gibt es klare Signale, dass Vorbehalte und Vorurteile zu einem politischen Problem anwachsen könnten. Landessozialminister Braun fordert 1979 „mehr Verständnis für ausländische Arbeiter“ und den „Abbau noch gegenseitig bestehender Vorbehalte“. Parallel dazu aber gibt es immer wieder Forderungen der Politik, das Ausländerrecht zu verschärfen. Ein früher Zwiespalt, der sich äußert. In der deutschen Gesellschaft entsteht ein „Ausländerproblem“. Die Zeiten der Vollbeschäftigung und des unendlichen Wachstums sind vorbei, Krisenerscheinungen nähren stille Vorbehalte, aber auch Sprüche wie „Geh mir weg mit den Kanaken!“ Schließlich folgt das primitive „Ausländer raus“.

1982 bildet sich in Kiel die kommunale Bürgerinitiative „Liste für Ausländerbegrenzung“. Sie findet Nachahmer, und zehn Jahre später sitzen rechtsextreme DVU-Vertreter für eine Legislaturperiode im Landtag. Das Klima verhärtet sich. Seit den 1980er Jahren gedeihen derartige Ansichten bei Teilen der Jugend, insbesondere bei rechtsradikalen „Skinheads“. Einher mit einer Asylrechtsänderung gehen verschiedene staatliche Maßnahmen, die Rückkehrbereitschaft in die Heimat zu steigern oder den Aufenthalt in Deutschland zu erschweren: Die CDU/CSU/FDP-Bundesregierung beschränkt das Nachzugsrecht von Kindern auf das Alter von 16 Jahren und führt die Visumspflicht für türkische Kinder und Jugendliche ein. Das „Ausländerproblem“ existiert, und es wird verstanden als ein Problem, das die Ausländer verursacht hätten. Gemeint sind auch in Schleswig-Holstein vor allem Türken.

Tatsächlich gibt es Probleme. Eine dauerhaft hohe Arbeitslosigkeit signalisiert, dass alte Sicherheiten ins Wanken geraten. Und es gibt Opfer der neuen Modernisierung: gering ausgebildete, aus sozialen Problemgruppen stammende deutsche Jugendliche zum Beispiel. Es ist dabei nicht „typisch deutsch“, dass die Menschen Sündenböcke für eigene Not oder Ängste suchen. Die Folgen bleiben problematisch, Vorurteile bieten ein einfaches Ventil. Der Verfassungsschutzbericht nennt für 1992 ungefähr 2.500 organisierte Rechtsextreme in Schleswig-Holstein. Sie bilden, so der Verfassungsschutz, keine wirkliche Gefahr für die Demokratie. Aber: Seit Gründung der Bundesrepublik gibt es, wie Studien immer wieder zeigen, ein stabiles Potential von etwa 12 % der Bevölkerung, die über ein ziemlich geschlossenes Weltbild verfügen, das durch rechtsradikale, nationalistische und ausländerfeindliche Elemente gekennzeichnet ist. Und manche Fakten scheinen derartige Ansichten zu stützen, Brücken zwischen Rechtsextremen und der „Mitte der Gesellschaft“ zu bilden: etwa die erhöhte Kriminalität von Ausländern. Zwar ist der Anteil türkischer Tatverdächtiger dabei vergleichsweise gering. Dennoch: Nach der schleswig-holsteinischen Kriminalstatistik für 1991 gelten 7 % der Angehörigen der türkischen Minderheit als verdächtig, eine Straftat begangen zu haben. Auch wenn Verstöße gegen das Ausländerrecht als verzerrend abgezogen sind, bleibt ein im Vergleich zur deutschen Bevölkerung verdoppelter Anteil. Das ist ein Fakt. Es stellen sich jedoch die Fragen nach den Ursachen: Untersuchungen deuten an, dass nicht die Ausländereigenschaft, sondern die besonderen Nöte und Probleme der hier geborenen Angehörigen der „Zweiten“ und „Dritten Generation“ eine Rolle spielen. Sie haben wie benachteiligte junge Deutsche oft geringe berufliche Chancen. – Ein eigenartiger Zusammenhang.

Siehe auch:

Ausbildungsnetzwerk für Migranten

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