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'Landflucht' in den 1950er Jahren © izrg

Im August 1956 rücken 65 Soldaten des Fliegerhorstes Uetersen zur freiwilligen Erntehilfe im Kreisgebiet Pinneberg aus. Die Bauern sind dringend auf diese Hilfe angewiesen. Ihre Ernte droht auf den Feldern zu verregnen. Die Betriebe haben sich in den vorangegangen Wochen vergeblich um Saisonarbeitskräfte bemüht.

Dieser Einsatz vor den Toren Hamburgs ist Mitte der 1950er Jahre kein Einzelfall. Nach der überwundenen Not der ersten Nachkriegsjahre ist der Kreis Pinneberg wie viele andere ländliche Gebiete der Region von der einsetzenden "Landflucht" betroffen: Zwischen 1950 und 1960 gibt im Kreis Pinneberg fast ein Drittel der in der Landwirtschaft tätigen Bevölkerung diese Arbeit auf. Die Städte blühen im Zuge des deutschen "Wirtschaftswunders" auf und bieten Landarbeiterinnen und Landarbeitern attraktive Beschäftigungsangebote. Erstmals bietet sich diesen Lohnarbeiterinnen und Lohnarbeitern der Landwirtschaft die Gelegenheit, eine unabhängige Existenz im kleinbürgerlichen Wohlstand aufzubauen. Diese Alternative erscheint vielen verlockender als ein entbehrungsreiches, abhängiges Leben in der Landwirtschaft bei geringerem Lohn.

Besonders junge Menschen kehren in dieser Zeit dem bäuerlichen Leben den Rücken. Da sie in der näheren Umgebung meist keine Ausbildungsplätze finden, folgen sie der Arbeit in die Städte, wo sie sich ihren Lebensunterhalt in der Industrie verdienen. Hierfür sprechen vor allem geregelte Arbeitszeiten; in der Landwirtschaft sind 12- bis 14-Stunden-Tage die Regel, in der Erntezeit 16 Stunden keine Ausnahme. Dieser immense Arbeitsaufwand schlägt sich allerdings nicht in der Bezahlung nieder. Der Lohn in der Landwirtschaft liegt meist weit unter dem von Industriearbeitern und Handwerkern. An das Ansparen für eine selbständige Zukunft ist kaum zu denken. Insbesondere gilt dies für die Söhne der Bauern, denen oftmals nur ein geringes Taschengeld für die Arbeit auf dem elterlichen Hof gewährt wird.

Diese wirtschaftlichen Gründe für die Abwanderung in die Städte sind für die Jugendlichen ausschlaggebend. Daneben gibt es noch eine Reihe weiterer Gründe, die aus der Perspektive der Landjugend für eine Abkehr von Land und Landwirtschaft sprechen: Uneinigkeiten zwischen Vätern und Söhnen um die Führung des Hofes sind keine Seltenheit, des Weiteren sind die landwirtschaftlich Beschäftigten in den Sommermonaten an den Hof gebunden, während "die Städter" die Reiselust entdecken und der heiß begehrte "Urlaub im Süden" für Arbeiter und Handwerker möglich wird. Nicht zuletzt zieht es die Jugend zu Vergnügungen, Tanz und Kultur in die Städte.

Ganz so schnell und eindeutig, wie bisher dargestellt, entscheiden die Jugendlichen allerdings nicht über ihren Fortzug. Könnten sich die Jugendlichen auf dem Lande in den 1950er Jahren frei von wirtschaftlichen Zwängen für einen Lebensraum entscheiden, so würde ein Großteil von ihnen das Landleben wegen seiner menschlichen Nähe dem aus ihrer Sicht "anonymen Stadtleben" vorziehen.

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