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Gewalt und Gewalterfahrung © izrg

Der Tod Benno Ohnesorgs auf der Demonstration gegen den persischen Schah am 2. Juni 1967 in West-Berlin durch die Schüsse eines überforderten Polizisten ist für die Anhänger der APO ein Schlüsselerlebnis. Fortan scheint die Anwendung von "Gegengewalt" berechtigt zu sein. Die Frage, in welchem Maße die Protestierenden Gewalt anwenden dürfen, ist allerdings umstritten. Ihre Beantwortung hängt oft von den Gewalterfahrungen der oder des Einzelnen ab. Abgesehen von dieser grundsätzlichen Entscheidung, sorgen nicht zuletzt eine aufgeheizte Atmosphäre bei den Demonstrationen und Aktionen für teilweise überzogene Handlungen. Dabei verschwimmt bisweilen die viel diskutierte Grenze zwischen der "Gewalt gegen Sachen" und der "Gewalt gegen Personen".

Im Dezember 1968 hält Bundesforschungsminister Gerhard Stoltenberg (CDU) in der Mensa der Kieler Universität einen Vortrag über Zukunftsaufgaben der Wissenschafts- und Hochschulpolitik. Eingeladen hat der "Ring Christlich Demokratischer Studenten" (RCDS). Noch bevor Stoltenberg seine Rede beginnt, versuchen etwa 200 Anhänger des "Sozialistischen Deutschen Studentenbundes" (SDS) das Podium zu stürmen. Sie wollen Stoltenberg zwingen, über seine geäußerte Kritik an Gegnern der "Notstandsgesetze" zu diskutieren. Es kommt zu Prügeleien mit Studenten des RCDS. Stoltenberg wird das Mikrofon entrissen, das Rednerpult stürzt um. Angesichts der Gewalt verliert Stoltenberg die Nerven und ruft: "Dieser Tumult ist ein dilettantischer Versuch der Revolution!" und "Schweine sind das! Schmeißt sie raus!" Schließlich wird der Veranstalter wieder Herr der Lage; unter "SDS raus!"-Rufen der Mehrheit der etwa 1.000 anwesenden Studierenden ziehen die Störenfriede ab.

Bei der "Sprengung" einer Senatssitzung im Juli 1969 an der Kieler Universität erhält Rektor Weisbecker einen Schlag in den Bauch und wird ohnmächtig in - seine - Klinik eingeliefert. Die Universität stellt für "einige Tage der Besinnung" den Lehrbetrieb ein - und SDS-Sprecher Dietmar Schlinke erklärt, dass "wir die physische Gewalt gegen eine Einzelperson ablehnen."

Im Anschluss an eine Schülerdemonstration gegen den Schulverweis eines Flensburger Gymnasiasten kommt es in Kiel im Dezember 1968 zu gewalttätigen Auseinandersetzungen. Rund 30 Schüler veranstalten vor der Nikolaikirche, in der die Kieler Gelehrtenschule gerade ihre Weihnachtsfeier abhält, ein "Sit in". Als die Polizei anrückt, begrüßen die Demonstrierenden sie mit "Sieg Heil"-Rufen. Polizisten ziehen einige demonstrierende Mädchen an den Haaren, worauf ein Demonstrant dagegen Einspruch erhebt. Daraufhin schlägt ihm ein Polizist mit dem Gummiknüppel zweimal auf den Kopf. Auch beim zuvor stattgefundenen Protestmarsch vom Exerzierplatz zum Kultusministerium verliert ein Polizist die Nerven und schlägt mit Fausthieben in die Menge. Der Flensburger Hochschuldozent Dr. Vogt wird dabei verletzt.

Überzogene Handlungen und Gewalttätigkeiten sorgen dafür, dass beide Seiten ihr Bild bestätigt sehen - je nach Perspektive nehmen sie entweder "den autoritären Gewaltstaat" oder "die ungepflegten, kommunistischen Krawallmacher" wahr - einem konstruktiven Dialog sind sie nicht dienlich. Die Diskussionen um die Anwendung und Legitimation von Gewalt sind ein wesentliches Merkmal der APO. Bezeichnend für die unterschiedlichen Antworten auf diese Frage sind die beiden gegensätzlichen Bewegungen, die aus der APO hervorgehen: Einerseits die terroristische "Rote Armee Fraktion" (RAF) und andererseits die Partei "Die Grünen", die sich ausdrücklich zur Gewaltfreiheit bekennt.

Siehe auch:

Aufruf des Ministerpräsidenten
Thomas Weissbecker
"SDS-Rabbatz"
Ring christlichdemokratischer Studenten

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