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Verfolgung © izrg

Der NS-Staat überwacht und verfolgt "Volks- und Reichsfeinde" sowie "Fremdvölkische", denen "Umerziehung", Entrechtung und Gewalt bis zur Ermordung droht.

Ziel der NS-Führung war es, die deutsche Gesellschaft zu einer opferbereiten "Volksgemeinschaft" zu formen. Dazu setzte sie neben integrativen Angeboten auch auf Überwachung und Ausgrenzung, insbesondere auf die Verfolgung aller "Volks- und Reichsfeinde". Mit massiver Gewalt ging der NS-Staat von Beginn an gegen politisch Oppositionelle sowie gegen religiös oder weltanschaulich Abweichende vor; er reagierte auch auf Kritik, Verweigerung und Verfehlungen im Privatleben der "Volksgenossen". Während einschüchternder Terror jenen Gruppen galt, bei denen eine Chance auf "Umerziehung" bestand, gingen Verfolgungsmaßnahmen gegen die "Gemeinschaftsfremde" darüber hinaus: "Juden", "Zigeuner", andere "Fremdvölkische" sowie chronisch Kranke und Behinderte galten im Sinne der NS-Rassenideologie als nicht in die "Volksgemeinschaft" integrierbar: Ihnen drohte Entrechtung, Enteignung, psychische und physische Gewalt bis zur Deportation und Ermordung.

Die Sinti und Roma erlebten ab 1933 eine stufenweise rechtliche, wirtschaftliche und gesellschaftliche Ausgrenzung, vom Verlust der vollen Bürgerrechte über die Zusammenfassung in "Zigeuner-Gemeinschaftslagern" und der Haft im KZ bis zur Deportation nach Polen zur Zwangsarbeit in Gettos und Lagern. Etwa 400 Sinti und Roma aus Schleswig-Holstein fielen der nationalsozialistischen Verfolgung zum Opfer.

Auf Basis des "Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses" war es ab Sommer 1933 möglich, psychisch oder neurologisch Kranke und Behinderte zwangsweise zu sterilisieren. In Schleswig-Holstein verfügten "Erbgesundheitsgerichte" bis 1940 fast 4.500 Sterilisationen. Ab Ende 1937 war es der Polizei gestattet, jeden, der "durch sein asoziales Verhalten die Allgemeinheit" gefährde, ins KZ zu verbringen. Genaue Zahlen aus Schleswig-Holstein liegen dazu nicht vor.

Mit Kriegsbeginn begannen die beschönigend "Euthanasie" genannten Morde an geistig, seelisch und körperlich Kranken und Behinderten. Die über 30 schleswig-holsteinischen Heil- und Pflegeanstalten und Behörden schickten "Meldebögen" über ihre Patienten nach Berlin in die "Kanzlei des Führers", auf deren Basis medizinische Gutachter über Leben und Tod der Patienten entschieden. Ab Anfang 1940 wurden die selektierten Patienten in einer der sechs "Tötungsanstalten" im Reichsgebiet ermordet. Ab Sommer 1941 mordeten in vielen Anstalten Ärzte und Pflegepersonal durch Medikamentenüberdosierung, Misshandlungen oder mangelnde Versorgung. Die wenigsten der circa 3.400 aus Schleswig-Holstein deportierten Patienten überlebten die "Verlegung" und kehrten nach 1945 zurück. In der "Kinderfachabteilung" Schleswig/ Hesterberg starben ab 1941 mindestens 216 Kinder durch Medikamentenüberdosierungen, Mangelernährung oder Vernachlässigung.

Der NS-Staat ging aus ideologischen Gründen auch gegen Homosexuelle vor. Polizei, Gestapo und SS misshandelten Homosexuelle und nahmen viele in "Schutzhaft". Auf Basis des verschärften § 175 des Strafgesetzbuches verurteilten Gerichte Homosexuelle zu Zuchthaus- oder Gefängnisstrafen. Genaue Opferzahlen sind aus Schleswig-Holstein nicht bekannt.

An Überwachung, Terror und Verfolgung im NS-Staat beteiligten sich zahlreiche, teilweise konkurrierende Parteiorganisationen und staatliche Institutionen: Neben der NSDAP, der SA, der SS, dem "Sicherheitsdienst der SS" (SD) und der "Deutschen Arbeitsfront" (DAF) waren dies auch die regulären Säulen staatlicher Herrschaft, nämlich Polizei und Justiz. Doch auch die öffentliche Verwaltung - wie Bürgermeister, Reichspost und -bahn, Einwohnermelde-, Finanz- und Gesundheitsämter - lösten Ermittlungen aus oder leisteten bei Terror und Verfolgung entscheidende "Amtshilfen". In erheblichem Maße ging die Verfolgung von der Bevölkerung selbst aus, durch Denunziation.

Verwaltung, Polizei und Justiz, später auch die Wehrmacht, gaben Teilen der NS-Gewalt einen vermeintlich geordneten und gesetzlichen Rahmen. Parallel verfolgten Sonderinstitutionen wie "Sondergerichte" oder die "Geheime Staatspolizei" (Gestapo) als "strafverhängende" Behörde Regimegegner und andere unerwünschte Gruppen. Auch die "Schutzhaft" blieb als Maßnahme bestehen, das KZ-System wurde systematisiert. "Schutzhäftlinge" aus Schleswig-Holstein wurden meist nach Hamburg-Fuhlsbüttel, Sachenhausen, Buchenwald oder in die "Emslandlager" nach Papenburg verbracht, ab 1938 nach Neuengamme bei Hamburg. Zu diesem Lager mit 1944 etwa 70 Außenlagern in ganz Norddeutschland gehörten auch die erst in der Kriegsendphase gegründeten Lager in Schleswig-Holstein: Lüthjenburg-Hohwacht, Wedel und Kaltenkirchen sowie Husum-Schwesing und Ladelund. Eine Sonderrolle spielte das "Arbeitserziehungslager" (AEL) für Kiel, das sich zur Hinrichtungsstätte der Kieler Gestapo entwickelte.

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NS-Herrschaft
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