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Türkische Minderheit © izrg

"Leben zwischen Tradition und Integration: Die türkische Minderheit in der Region"

Die türkische Minderheit ist mit Abstand die größte ausländische Minderheit in der Region. Allein in Schleswig-Holstein umfasste sie 1997 etwa 45.000 Menschen, etwa ebenso viele türkische Einwanderer und ihre Nachkommen lebten 1999 in ganz Dänemark, in Sønderjyllands etwa 600 und in Fynsamt um die 2.500. Die meisten Angehörigen der türkischen Minderheit lebt in den größeren Städten; in Schleswig-Holstein wohnt etwa die Hälfte in den vier kreisfreien Städten Kiel, Lübeck, Neumünster und Flensburg. Allein in Kiel leben Ende der 1990er Jahre etwa 8.500 türkische Staatsangehörige. Viele Angehörige der türkischen Minderheit sind in der Region geboren und gehören zur so genannten „Zweiten Generation“, und teilweise auch schon „Dritten Generation“: Kinder der in der Region geborenen türkischstämmigen Bevölkerung.

Die ersten türkischen Migranten kamen während des deutschen „Wirtschaftswunders“ Anfang der 1960er Jahre als „Gastarbeiter“ nach Schleswig-Holstein, weil ein Mangel an einheimischen Arbeitskräften herrschte. Möglich war diese Arbeitsmigration durch „Anwerbeverträge“, die die deutsche Regierung 1961 und 1964 mit der Türkei schloss. Die „Gastarbeiter“ fanden hier Arbeit – wie in Herrenwyk – und versuchten, genügend Geld für die zurückgebliebene Familie in der Türkei zu verdienen.

Die deutsche Politik ging vom „Rotationsprinzip“ aus: Es sah vor, dass die „Gastarbeiter“ für eine Zeitspanne von etwa zwei Jahren in Deutschland arbeiten und anschließend nach Erwerb von ausreichend Lohn und beruflichen Kenntnissen in ihr Heimatland zurückkehren sollten. Aufgrund des Wunsches der Unternehmen nach längeren Arbeitsverträgen und eines nach der Ölkrise 1973 verhängten „Anwerbestops“, blieben jedoch viele der „Gastarbeiter“ langfristig in Deutschland. Sie befürchteten bei einer Rückkehr in ihre Heimat, keine neuen Arbeitsmöglichkeiten in Deutschland zu finden. Aus diesem Grund holten viele ihre Familien nach. Die Bundesrepublik war im Laufe der 1970er Jahre unmerklich zum Einwanderungsland geworden.

Die Gastfreundschaft der deutschen und dänischen Bevölkerung hielt sich von Beginn an gegenüber den „Gastarbeitern“ und der späteren entstehenden türkischen Minderheit in Grenzen. Das Verhältnis war beiderseits von Vorurteilen geprägt. Als die ersten türkischen „Gastarbeiter“ in die Region kamen, fanden sie eine ihnen unbekannte Welt mit einer fremden Kultur vor. Die Anpassung an die neue Umgebung fiel oft schwer. Das größte Hindernis stellte die fremde Sprache dar: Die meisten der eingereisten Türken konnten kaum ein Wort Deutsch oder Dänisch. Eine Isolierung von der „einheimischen“ Bevölkerung war die häufige Folge: „Die Türken“ blieben meist „unter sich“ und bewahrten ihre eigene Tradition und Kultur.

Besonders der „Ersten Generation“ fällt die Öffnung gegenüber der deutschen oder dänischen Kultur oft schwer, obwohl sie schon lange hier leben. Sie geraten häufig in einen kulturellen Zwiespalt: Auf der einen Seite versuchen sie ihre traditionellen Werte in der fremden „Heimat“ zu bewahren, auf der anderen Seite aber erkennen sie, dass ihre Kinder – die „Zweite Generation“ [mehr] – unter anderen Bedingungen aufwachsen und mit der westlichen Kultur gut zu recht kommen. Dennoch bestimmen traditionelle und kulturelle „türkische Werte“ meist auch das Leben der hier geborenen Kinder und Jugendlichen.

Umfragen zufolge hegt fast die Hälfte der in Schleswig-Holstein lebenden türkischen Familien den Wunsch, „später“ wieder in die Türkei zurückzukehren: Die Vorstellung der Rückkehr bietet für viele eine Sicherung der Identität. Zudem kann sie helfen, Anfeindungen aus der „einheimischen“ Gesellschaft selbstbewusster zu begegnen. Dabei spielt es nicht unbedingt eine Rolle, ob die Idee tatsächlich in die Tat umgesetzt wird.

Im Leben vieler türkisch-stämmiger Schleswig-Holsteiner und Süddänen spielt der überwiegend islamische Glauben eine bedeutende Rolle. Zahlreiche, von unterschiedlichen Glaubensrichtungen getragene Moscheen existieren in der Region, Korankurse versuchen Kindern und Jugendlichen den islamischen Glauben und Traditionen näher zu bringen. Teilweise werden in diesen Institutionen auch reaktionäre oder fundamentalistische Ansichten verbreitet, da sie sich der Kontrolle von außen entziehen; doch das sind Ausnahmen. Auch in der Religion vollzieht sich ein kultureller Wandel: Umfragen zufolge besucht nur die Hälfte der in Schleswig-Holstein lebenden Türken die Moscheen, von den Kindern ist es nur noch ein Viertel.

Integrationsprobleme und Ausländerfeindlichkeit spielen auch in der Region nach wie vor eine große Rolle: Die Hälfte der in einer Umfrage befragten schleswig-holsteinischen Türken nahm Ausländerfeindlichkeit – von ausländerfeindlichen Parolen über Diskriminierungen zu Gewaltakten – in großen Umfang wahr. Den tragischen Höhepunkt der Ausländerfeindlichkeit bildete 1992 der Brandanschlag von Mölln, bei dem zwei junge Männer den Tod von drei Menschen verantworteten. Auch die Auseinandersetzungen um die so genannten „Mohammed-Karikaturen“ aus der Zeitung „Jyllands Posten“ im Winterhalbjahr 2005/2006 macht das teilweise schwierige Verhältnis zwischen Teilen der christlich-westlichen Welt und manchen Muslimen in der Region deutlich.

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