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Übersee-Auswanderung © izrg

Motive, Umfang und Ziele der Übersee-Auswanderung aus der Region im 19. Jahrhundert

Die Auswanderung nach Übersee – Bedeutete sie stets die sprichwörtliche Karriere vom Tellerwäscher zum Millionär? Im 19. Jahrhundert verließen viele Schleswig-Holsteiner und Dänen ihre bekannte Heimat, um in Übersee ihr Glück zu suchen. Über 90 % von Ihnen zog es in die Vereinigten Staaten von Amerika, die die Menschen mit der Aussicht auf eine bessere Zukunft im "Land der unbegrenzten Möglichkeiten" lockten. Jedoch fanden viele Schleswig-Holsteiner und Dänen auch in Südamerika, Australien, Afrika und Asien eine neue Heimat.

Was aber bewegte die Menschen, ihre Heimatregion zu verlassen? Bei der Untersuchung der Auswanderungsmotive spricht man von so genannten "Push- und Pullfaktoren": Die "Pushfaktoren" (Druck) stellen Gründe für das Verlassen der Heimat dar. Hier spielten vor allem Armut, Arbeitslosigkeit, kein eigenes Land für junge Bauern, wirtschaftliche Krisen, politische Unruhen oder – speziell in Nordschleswig – Ablehnung des preußischen Systems eine Rolle. "Pullfaktoren" (Zug) beschreiben hingegen Gründe für die Auswanderung in ein bestimmtes Land wie beispielsweise genügend Arbeit, hohe Löhne, Aussicht auf persönliche Freiheit in den USA, Goldfunde, positive Berichte von Freunden und Verwandten aus Übersee. Die Verbreitung des christlichen Glaubens stellte einen weiteren Motivationsgrund zur Emigration.

Die schwere wirtschaftliche Krise in Dänemark zu Beginn des 19. Jahrhunderts wirkte sich auch in den Herzogtümern Schleswig und Holstein aus, so dass erste Mutige ihr Glück in Übersee suchten. Jeder Bürger hatte seit 1815 das Recht auszuwandern, nur die Wehrpflicht galt als Einschränkung. Vor allem in den 1840er Jahren nahm die Auswanderung zu. "Pioniere" – unter ihnen auch Akteure der Revolution von 1848 – hatten ihren Angehörigen Briefe geschrieben, in denen sie ihr neues Leben meist in schillernsten Farben priesen. Diese Briefe kursierten in der Heimat, Zeitungen druckten Auszüge daraus ab. So erfasste das "Auswanderungsfieber" immer mehr Menschen: Auswanderer zogen weitere Auswanderer nach. Die erste große Welle folgte auf die Niederschlagung der Schleswig-Holstein-Erhebung durch den dänischen Staat 1851. Besonders viele Bauern und Handwerker mit ihren Familien verließen das Land, oft in Gruppen, die sich dann gemeinsam in der neuen Heimat ansiedelten. Erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nahm die Auswanderung von jungen allein stehenden Männern, aber auch von Frauen zwischen 15 und 30 Jahren zu. Dies stand wohl auch im Zusammenhang mit der Allgemeinen Wehrpflicht, die seit 1867 auch in Schleswig-Holstein galt. Höhepunkte lagen in den Jahren 1872/73 und den Jahren zwischen 1881 und 1885: Die wirtschaftliche Lage war nach den deutsch-dänischen Kriegen vor allem für Landarbeiter – auch auf Grund der zunehmenden Technisierung der Landwirtschaft –, aber auch Handwerker und Kleinbauern sehr schwierig; der Aufbau einer selbstständigen, unabhängigen Existenz schien nur in Übersee möglich. Erst nach 1893 ersetzte die Binnenwanderung in die Großstädte und Industriezentren innerhalb des wirtschaftlich aufstrebenden Deutschen Reiches langsam die Überseeauswanderung.

Der überwiegende Teil der Auswanderer kam aus ländlichen Gebieten. Die Auswanderungsbereitschaft scheint in den Gegenden am höchsten gewesen zu sein, die am weitesten entfernt von urbanen Zentren liegen. Die Inseln Föhr, Amrum, Fehmarn und Langeland weisen ebenso überdurchschnittlich Auswanderungsquoten auf, wie Ostholstein, Nordfriesland oder Dithmarschen. Neben wirtschaftlichen Faktoren, wie der Krise in der Seefahrt, spielte es wohl eine Rolle, dass sich diese seit jeher am Meer und oft von der Seefahrt lebenden Menschen mobiler waren und Arbeitsmigration Tradition besaß. Auch Nordschleswig wies eine hohe Auswanderungsquote auf, vor allem für die ersten Jahre unter der preußischen Regierung [mehr]: Schätzungen liegen bei rund 40.000 Auswanderern im Zeitraum zwischen 1868 und 1910. Gründe lagen in einer allgemeinen Ablehnung der neuen Regierung, die auf Grund der "Köller-Politik" zunahm, aber auch in den wirtschaftlichen Schwierigkeiten der nordschleswigschen Kreise, die durch die neue Grenzziehung von den traditionellen Absatzmärkten in Dänemark abgeschnitten waren, während sie von den neuen Handelsströmen in Preußen auf Grund der Randlage kaum profitieren konnten.

Zahlen über den Umfang Auswanderung aus der Region in den Jahren bis 1870 sind schwer ermittelbar, da die Auswanderer kaum statistisch erfasst wurden; das Ausmaß war jedoch beachtlich, wie folgende Mindestzahlen verdeutlichen: In den Jahren 1851/52 reisten etwa 4.200 schleswig-holsteinische Auswanderer allein über den Hamburger Hafen aus. Für die preußische Provinz Schleswig-Holstein liegen genauere Gesamtdaten vor, da mit der Entwicklung des modernen Verwaltungsstaates auch die statistische Erfassung von Auswanderern einherging. Zwischen 1871 und 1925 wanderten mindestens 150.000 Personen aus. Die meisten von ihnen kannten ihr Wunschziel vorher recht genau, bemühten sich nach der strapaziösen Überfahrt – auf der auch viele Auswanderer starben – in der Nähe von Bekannten und Verwandten aus dem gleichen Herkunftsgebiet niederlassen. So entstanden viele relativ geschlossene Einwanderersiedlungen in den Zielorten.

Die Biographien sind sehr individuell, manche kehrten zurück, für manche erfüllte sich der Traum von Erfolg und Reichtum; andere hatten weniger Glück, teilweise brachten betrügerische Transportunternehmen oder Landagenten Auswanderer schon in den ersten Monaten um ihr Erspartes. Doch für viele erfüllten sich langfristig die Hoffnungen auf bescheidenen eigenen Besitz: Durchschnittlich mussten die Auswanderer etwa zehn Jahre die verschiedensten abhängigen Arbeiten ausführen, bevor sie sich den Traum vom eigenen Grund und Boden erfüllen konnten.

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