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Brokdorf © izrg

Bau und Betriebsgeschichte des Kernkraftwerks Brokdorf ist eine Konfliktgeschichte, die die Beteiligten unterschiedlich wahrnehmen.

Unterschiedliche Ziele und Interessen bestimmten den Konflikt um den Bau und die Inbetriebnahme des Kernkraftwerks (KKW) Brokdorf von Anfang an: Für die einen stand die Durchsetzbarkeit wirtschaftlicher Interessen und demokratischer Mehrheitsentscheidungen im Vordergrund; andere verstanden ihren Widerstand gegen den Bau als ein Symbol im Kampf gegen die Nutzung der Kernenergie und einen befürchteten "Atomstaat", der Atomenergie später eventuell auch militärisch nutzen könnte.

26. November 1976: Völlig überraschend für alle Atomkraftgegner begannen die Arbeiten am Bauplatz des geplanten Atomkraftwerkes (AKW) Brokdorf an der Unterelbe. Überraschend deshalb, weil einige Gerichtsentscheide zu Einspruchsverfahren gegen den Bau noch ausstanden. Der Ministerpräsident Schleswig-Holsteins, Dr. Gerhard Stoltenberg, hatte den notwendigen "Sofortvollzug" am Abend zuvor dennoch unterschrieben. Er begründete diese Entscheidung mit der Ankündigung einer Bauplatzbesetzung durch die Atomkraftgegner. Dies hätte, so erklärte er nachfolgend in einer Stellungnahme "rechtmäßiges, geordnetes Handeln im Interesse der Eigner und die Erfüllung öffentlicher Aufgaben" unmöglich machen können.

Bereits nach der Ankündigung des Baus im Jahr 1973 und dem im Jahr darauf folgenden Antrag zur Errichtung einer Anlage hatten sich Atomkraftgegner und Anwohner der umliegenden Gemeinden in der "Bürgerinitiative Umweltschutz Unterelbe" (BUU) zusammengeschlossen. Ihr gemeinsames Ziel: den geplanten Bau zu verhindern. Bereits vier Tage nach dem Beginn der Baumaßnahmen 1976 protestierten etwa 6.000 Demonstranten am Bauplatz. Nicht nur die BUU, auch andere Organisationen und Initiativen der Anti-AKW-Bewegung nahmen genauso wie Einzelpersonen an der Kundgebung direkt am Bauzaun teil. Auf diese folgten weitere Demonstrationen unterschiedlicher Größe. Zum Teil nur in kleinen Gruppen, zum Teil zu Tausenden, wie etwa am 13. November 1976, versuchten die AKW-Gegner, den Bau zu verhindern. Ein Aufschub gelang: Am 17. Dezember 1976 verhängte das Verwaltungsgericht Schleswig einen Baustopp und verlängerte diesen im Februar des folgenden Jahres.

Doch knapp vier Jahre später, im Februar 1981, begannen die Bauarbeiten erneut, obwohl die Frage der Endlagerung des anfallenden radioaktiven Materials noch immer nicht abschließend geklärt war. Das Gericht akzeptierte die von der Landesregierung und den Betreibern angebotene Übergangslösung. Fast 100.000 Atomkraftgegner demonstrierten. Doch weder die Demonstration, noch die Proteste gegen die Inbetriebnahme des Meilers im Juni 1986, nur zwei Monate nach dem "Super-GAU" (Größter Anzunehmender Unfall) in Tschernobyl, fruchteten. Im Dezember 1986 ging das AKW Brokdorf ans Netz.

Der Bau und die Betriebsgeschichte des Kernkraftwerks Brokdorf ist eine Konfliktgeschichte, die die Beteiligten unterschiedlich wahrnahmen - subjektive Erfahrungen, Erlebnisse und Sichtweisen bestimmten die einzelnen Standpunkte. So begann mit den ersten Protesten der Kernkraftgegner die Frage nach der Wahl der Mittel, um das gemeinsame Ziel - die Verhinderung des Baus - durchzusetzen. Viele demonstrierten friedlich, manche waren gewaltbereit. Bereits 1976 setzte die Polizei Wasserwerfer, Tränengas und Rauchbomben ein, auch später folgen immer wieder regelrechte Schlachten zwischen Polizei und Demonstranten. Über die Frage, gesetzwidrige Demonstration vor Ort oder friedlicher Protest in Itzehoe, spaltete sich 1977 die Protestbewegung.

Debatten in der Politik - auch innerparteilich - folgten. So sprachen sich der schleswig-holsteinische Landesvorsitzende der SPD, Klaus Matthiesen, und der Hamburger Bürgermeister Hans-Ulrich Klose 1979 für die Einstellung des Baus aus. Sie bezogen damit nicht nur gegen die schleswig-holsteinische CDU, sondern auch gegen die eigene Bundespartei Stellung. Bundeskanzler Helmut Schmidt unterstützte nämlich die Fortführung der Bautätigkeiten.

Die beteiligten Politiker, die Parteien, die zukünftigen Kraftwerksbetreiber, die Polizei, die Justiz und die Anwohner - sie alle hatten eine bestimmte Sichtweise auf die Ereignisse. Ohne die Darstellung unterschiedlicher Perspektiven und Betrachtungsweisen lässt sich keine Geschichte um den Bau und den Konflikt des AKW Brokdorf schreiben.

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Aktuelle Konflikte
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