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Schiffbau © izrg

Werftenkrise und Subventionsdschungel - Schleswig-Holsteins Leitindustrie Schiffbau im Strukturwandel.

Schwerindustrie im Agrar- und Küstenland Schleswig-Holstein bedeutet in erster Linie Schiffbau. 17 große und mittlere Betriebe, davon rund zwölf Seeschiffswerften prägten das Land nach 1945. Zugleich ist der Schiffbau auch ein Paradebeispiel für den Strukturwandel in der Region: 1958 arbeitete fast jeder fünfte Industriearbeiter auf einer Werft, insgesamt rund 31.000 Menschen. Zehn Jahre später war es ein Drittel weniger und Mitte der 1990er Jahre weniger als 7.000. Die mit Abstand größte Werft war und ist die "Howaldtswerke Deutsche Werft AG" (HDW) in Kiel - dem wichtigsten Werftstandort - gefolgt von Lübeck, Flensburg und Rendsburg. An der Nordseeküste etablierten sich nur wenige kleine Betriebe, beispielsweise in Büsum oder Husum. Weitere kleine Schiffs- und Bootswerften finden sich an der Elbe in Lauenburg Geesthacht.

Der unmittelbaren Nachkriegszeit, in der vor allem Demontagen auf Anweisung der britischen Besatzungsmacht drohten, folgte der starke Aufschwung im "Wirtschaftswunder". Schiffbau bildete die Leitindustrie des Landes - nicht nur nach der Zahl der Beschäftigten, sondern auch in der Wahrnehmung der Menschen. In den 1960er Jahren sorgten Rationalisierungen - also Maßnahmen zur Erneuerung, Vereinheitlichung und Straffung von Verfahrenstechniken und Produktionsschritten - für einen Rückgang der Beschäftigtenzahlen, doch die Produktionsziffern blieben hoch.

Von der gestiegenen Nachfrage nach Schiffen auf dem Weltmarkt konnte allerdings die bundesdeutsche, und dabei immer noch führend: die schleswig-holsteinische, Schiffbauindustrie nicht uneingeschränkt profitieren. In Ostasien hatten sich mit Japan, später auch Südkorea neue Schiffbaunationen entwickelt, die mit deutlich niedrigen Löhnen und zum Teil erheblicher staatlicher Förderung durch Subventionen den europäischen Werfstandorten den Rang abliefen. Wirkliche Einbrüche folgten der Ölkrise 1973/74, die Nachfrage nach Tankern, die den Schiffbauboom maßgeblich gestützt hatte, brach fast vollständig weg. Weltweit sanken die Frachtraten. Staatliche Aufträge - das hieß Marineschiffbau -, öffentliche Modernisierungsinvestitionen und massive Subventionen konnten den Trend nur abmildern, Einbrüche bei Arbeitsplätzen, erzwungene Betriebszusammenschlüsse sowie Pleiten im Schiffbau Schleswig-Holsteins jedoch nicht aufhalten. Eine tiefgreifende Strukturkrise hatte die Schiffbauindustrie erreicht.

1986 formulierte der zum "Werftenkoordinator" ernannte ehemalige Landesfinanzminister Gerd Lausen, die weltweite Krise im Schiffbau habe "verheerende Ausmaße" angenommen. Sein Vorschlag für Schleswig-Holsteins Seeschiffbauwerften lautete, fast 40 Prozent der Kapazitäten abzubauen und den Rest mit einigen hundert Millionen Zuschüssen zu retten. Nach der Veröffentlichung dieses Gedankens ging ein Aufschrei durch das Land; eine der Werften, denen Lausen keine Zukunft mehr gab, drohte mit Schadensersatzansprüchen.

Aber sehr falsch lag der Fachmann Lausen nicht: 1987 war die Rendsburger Werft "Nobiskrug" zahlungsunfähig; die Wirtschaftsaufbaukasse und die HDW, also überwiegend die öffentliche Hand, übernahmen das Unternehmen. Trotz erheblicher öffentlicher Mittel brach ebenfalls 1987 die "Harmstorf"-Gruppe mit ihren Werften in Büsum, Travemünde und Flensburg zusammen; nur die "Flensburger Schiffsbaugesellschaft" war zu retten. Und schließlich konnte die 1987 zahlungsunfähige Kieler "Lindenau-Werft" nach öffentlichen Zuwendungen den Betrieb wieder aufnehmen. Auch die "Flender Werft" meldete 2002 ihre Zahlungsunfähig womit die Ära des Eisen- und Stahlschiffbaus in Lübeck endete.

1990/91 zog sich das Land Schleswig-Holstein aus seiner seit 1972 bestehenden Kapitalbeteiligung bei "Howaldt" zurück, so wie es langfristig auch vorgesehen war. Der Erlös des Verkaufs, lediglich noch 60 Millionen DM von insgesamt 270 Millionen an Finanzbeteilungen, ging nicht in den Landeshaushalt, sondern wurde zweckgebunden angelegt: Die mit dem Kapital 1991 gegründete "Technologiestiftung Schleswig-Holstein" hat zur Aufgabe, im Land "die strategisch-infrastrukturellen Rahmenbedingungen für technologische Entwicklungen positiv zu beeinflussen" - mithin den Strukturwandel zu gestalten. Verblüffende Fakten konnte 1998 das Wirtschaftsministerium auflisten: Aktuelles Anzeichen für die schleswig-holsteinische Standortmodernisierung war die Tatsache, dass im Land jeweils mehr Menschen in Betrieben der Medizintechnik oder in jungen Softwareunternehmen arbeiteten als auf den traditionellen Werften!

Diese Geschichte erscheint in folgenden Themen:
Industrieller Strukturwandel
Werften
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