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Metallarbeiterstreik © izrg

Zwischen Oktober 1956 und Februar 1957 streiken Beschäftigte in der Metallindustrie Schleswig-Holsteins - 114 Tage lang.

Mitten im "Wirtschaftswunder" erlebte Schleswig-Holstein einen bundesweit einmaligen Arbeitskampf. Zwischen Oktober 1956 und Februar 1957 streikten Beschäftigte in der Metallindustrie des Landes - 114 Tage lang. Im Zentrum der Auseinandersetzung stand die Frage nach der "Lohnfortzahlung im Krankheitsfall"; es ging im Kern also um einen weiteren Schritt hin zur Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten, die bereits seit Jahrzehnten auch bei Krankheit ihr Gehalt weiter bezahlt bekamen. Weitere Hauptforderungen bestanden in der Zahlung eines zusätzlichen Urlaubsgeldes sowie einer Verlängerung des Urlaubs.

Erstmalig ging es bei einem großen Arbeitskampf nicht um die Höhe der Löhne, sondern um die tarifvertraglich festgeschriebenen Arbeitsbedingungen. Die Arbeitgeberseite unterschätzte zunächst die prinzipielle Bedeutung, welche die "Lohnfortzahlung" für die Gewerkschaftsvertreter und die Arbeitnehmer besaß. Konjunktur und eine hervorragende Auftragslage der auf Jahre ausgelasteten Werften, auf denen 25.000 der insgesamt 65.000 Metallarbeiter Schleswig-Holsteins arbeiteten, sowie gut gefüllte Streikkassen ermutigten zur geografisch begrenzten Auseinandersetzung in dieser Region.

Im September 1956 erklärten die Gewerkschaften das Angebot der Arbeitgeber für unzureichend und organisierten für den 11. und 12. Oktober 1956 eine Urabstimmung, bei der sich 88% der teilnehmenden Gewerkschaftsmitglieder dem Streikaufruf anschlossen. Am 24. Oktober begann der Streik in 15 Betrieben mit insgesamt rund 20.000 Beschäftigten. Die Metallgewerkschaft verfolgte die neue Streiktaktik der "flexiblen Eskalation", bei der zunächst nur ein Teil der metallverarbeitenden Betriebe im Tarifgebiet Schleswig-Holstein bestreikt werden sollte. Um die Streikfront möglichst geschlossen zu gestalten und die Zahl der "Streikbrecher" möglichst niedrig zu halten, konzentrierten sich die Streiks zunächst vor allem auf Betriebe der Schlüsselindustrie Schiffbau. Bis Januar 1957 wuchs die Zahl der bestreikten Betriebe auf 38 und die Zahl der streikenden Arbeiter auf rund 34.000. Ein wichtige Ausnahme bildete die "Ahlmann Carlshütte" in Büdelsdorf/Rendsburg.

Die Stimmung der Streikenden war gut, nicht zuletzt dank einer geschickt organisierten "Streikkultur". Die zentrale Streikleitung der "IG Metall" koordinierte von Kiel aus die Aktionen der Gewerkschaft, die von Anfang an nicht nur in Schleswig-Holstein große Aufmerksamkeit erregten.

Mit zunehmender Dauer versuchte die Politik, Bewegung in die festgefahrenen Positionen zu bringen. Der Landtag beschäftigte sich mit dem Thema und der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Kai-Uwe von Hassel führte insgesamt sechs - erfolglose - Gespräche mit den Streikenden. Der Druck der Öffentlichkeit, zu einer Einigung zu kommen, stieg beständig, so dass die Tarifkonfliktparteien im Dezember 1956 die Schlichtungsstelle anriefen. Deren Vorschlag erschien der Gewerkschaft jedoch nicht akzeptabel, so dass sie ihren Mitgliedern das Angebot mit der Empfehlung der Ablehnung am 7. Januar zur Urabstimmung vorlegte. 97% der streikenden Metaller stimmten gegen den Vorschlag und für eine Fortführung des Streiks. In der Öffentlichkeit mehrten sich Stimmen, die sich dafür aussprachen, in die Tarifautonomie einzugreifen und die Tarifparteien zu einer Einigung zu zwingen. Ein erneuter Schlichtungsversuch, diesmal auf Einladung von Bundeskanzler Konrad Adenauer, schien Mitte Januar der Durchbruch zu gelingen: Bei der Hauptforderung der Gewerkschaft - der Lohnfortzahlung - hatten die Arbeitgeber Teilzugeständnisse gemacht.

Bei der nun folgenden 3. Urabstimmung erlebte die IG Metall am 30. Januar 1957 ein überraschendes Debakel. Trotz ihrer Empfehlung zur Annahme sprachen sich 76% der Stimmberichtigten gegen die Einigung aus. Nach 14 Wochen Streik erschien dieses "Bonner Abkommen" als zu dürftig. Erst nach einer erneuten Nachbesserung kam in der 4. Urabstimmung am 9. Februar die notwendige ¾-Mehrheit für eine Fortsetzung des Streiks nicht mehr zustande, auch wenn mehr als die Hälfte der Stimmberechtigten den Kompromiss ablehnte und es in Flensburg zu tumultartigen Protesten gegen die Gewerkschaft kam.

Die erbitterte und längste Tarifauseinandersetzung der deutschen Geschichte endete am 15. Februar 1957. Sie lieferte den Durchbruch in der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, aber es blieb dabei: Arbeiter und Angestellte wurden noch nicht vollständig gleichgestellt.

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