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Sylt und Rømø © izrg

"Königin der Nordsee" versus "Sylt für Arme" - Die Inseln Sylt und Rømø.

Mitte des 19. Jahrhunderts wies wenig darauf hin, dass die beiden Nachbarinseln Sylt und Rømø) (deutsch: Röm) in den nächsten 150 Jahren eine deutlich unterschiedliche Entwicklung durchmachen sollten. Ebenso wie zuvor auf den übrigen nordfriesischen Inseln hatten sich die Inselbewohner vor allem mit der Seefahrt, insbesondere mit dem Walfang – und in Rømøs Fall vor allem Robbenfang – im Eismeer und Landwirtschaft den Lebensunterhalt verdient und einen abgeschiedenen Lebensstil bewahrt. Fremde Reisende waren die rare Ausnahme und fanden hier vor allem Abgeschiedenheit.

Auf Sylt bildete zu diesem Zeitpunkt noch Keitum den Hauptort, obwohl Westerland, wo 1855 mit dem Aufstellen der ersten Badekarren der Seebäderbetrieb begann, einen rasanten Aufstieg vollzog. Im Vergleich zu den übrigen Inseldörfern war Westerland zunächst das kleinste Dorf, hängte aber andere Gemeinden in seiner Entwicklung ab. Wenningstedt, ursprünglich größer als Westerland und nur vier Jahre später als Seebad aus der Taufe gehoben, blieb fortan im Windschatten des Nachbardorfs und zog vor allem weniger betuchte Gäste an. Kampen, einige Kilometer nördlich von Wenningstedt, schlug einen anderen Weg ein. In den 1920er Jahren entwickelte es sich zu einer Künstlerkolonie und nach dem Zweiten Weltkrieg zu einem Treffpunkt der Schönen und Reichen.

Westerland blieb trotz der anderen Badeorte mit ihren unterschiedlichen Profilen Schrittmacher der Entwicklung nicht nur auf Sylt. Die Insel eroberte sich eine Sonderstellung unter den Seebäderregionen im Deutschen Reich. Als „Königin der Nordsee“ gehörte die Insel zu den beliebtesten Urlaubszielen der wilhelminischen Gesellschaft. Vor allem Westerland veränderte durch rasante private und öffentliche Bautätigkeit sein Antlitz, 1905 erhielt das Dorf das Stadtrecht. Die Entwicklung hatte tiefe Auswirkungen auf die Erwerbsstruktur der Insel: der Fremdenverkehr wurde – zumindest in den Badeorten – zur wesentlichen Erwerbsquelle und auch die Landwirte fanden durch Gästen verbesserte Absatzmöglichkeiten für Milch, Eier und Gemüse. Gleichwohl waren es in erster Linie nicht die Inselbewohner, die vom neuen Wohlstand profitieren. In der überwiegenden Mehrzahl befanden sich die am Fremdenverkehr verdienenden Geschäfte und Gaststätten nicht im Besitz eingesessener Familien.

Nach dem Einbruch der Gästezahlen durch den Ersten Weltkrieg brachte der Bau des Hindenburgdamms 1927 neue Impulse für den Fremdenverkehr auf Sylt und in der Zeit der Weimarer Republik bis zum Zweiten Weltkrieg unterstrich Sylt mit dem „Weltbad“ Westerland ihren Stand als wichtigste Baderegion Schleswig-Holsteins und Anziehungspunkt für zahlreiche Prominente.

Sylts nördliche Nachbarinsel Rømø – im Gefolge des preußisch-dänischen Kriegs 1864 als Teil Nordschleswigs Preußen zugeschlagen – blieb vom Badebetrieb hingegen lange nahezu unberührt. Das 1898 eröffnete „Nordseebad Lakolk“ war das waghalsige Projekt eines Pastors und ging nach wenigen Jahren wieder ein. Erst mit dem Bau eines befahrbaren, knapp zehn Kilometer langen Damms 1948 gewann der Tourismus wieder an Bedeutung. Allerdings schlug das – seit der Abstimmung in Nordschleswig 1920 wieder dänische – Rømø einen anderen Weg ein als Sylt: Es kamen vor allem Individualtouristen und Campingurlauber, die den naturnahen Urlaub in einem Ferienhaus in der Dünenlandschaft der Insel oder an Nordeuropas breitestem Sandstrand suchten, wie sich an den Zahlen für das Jahr 1976 belegen lässt. In den 1970er kam weniger als ein Drittel der Touristen aus Dänemark. Es waren in erster Linie deutsche Urlauber, die Erholung suchten auf dem „Sylt für Arme“, wie Rømø in einem aktuellen (deutschsprachigen!) Reiseprospekt für die Insel beschrieben ist. Sie bildeten damit die Basis für den Tourismus, der sich nach dem Zweiten Weltkrieg zum konkurrenzlosen Haupterwerbszweig der Insel entwickelte. Trotzdem blieb das Verhältnis zu den Deutschen auf der Insel keineswegs immer spannungsfrei. Lange wirkt die Zeit der deutschen Besatzung im Zweiten Weltkrieg nach; zahlreiche Bunker auf der Insel erinnern daran, dass die deutsche Wehrmacht nach 1940 Rømø zu einer der wichtigsten Radarstationen ausgebaut hatte. Diese Erfahrung spielte zweifellos eine Rolle bei dem „Strandburgen-Krieg“ im Sommer 1963.

Sylt und Rømø – die beiden Nachbarinseln stehen auch heute noch für sehr unterschiedliche Formen des Bädertourismus.

Diese Geschichte erscheint in folgenden Themen:
Friesen
Bädertourismus
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