v i m u . i n f o
Dansk version

Revolution in Berlin © izrg

Aus dem Deutschen Kaiserreich wird die demokratische "Weimarer Republik".

Erst am Abend des 6. November 1918 realisieren die Machthaber in Berlin die ernste Lage: Abgesandte der Aufständischen aus Kiel sind mit der Eisenbahn in Städte Norddeutschlands, nach Berlin, Köln und anderswo gereist. Sie tragen den Aufstand erfolgreich weiter, in vielen Städten entstehen Arbeiter- und Soldatenräte. Der Flächenbrand breitet sich aus.

Am Abend des 9. November ist Deutschland eine Republik. Die Parteiführung der (M)SPD hat sich für die von Gustav Noske in Kiel vorgeführte Strategie entschieden, sich "an die Spitze der Bewegung" zu stellen und zu handeln. Philipp Scheidemann, einer der (M)SPD-Vorsitzenden, ruft am frühen Nachmittag die "Deutsche Republik" aus; der Linke Karl Liebknecht kommt mit seiner Ausrufung der "Freien Sozialistischen Republik" zwei Stunden zu spät. – Ein Sinnbild für die Spaltung der Revolutionsbewegung in gemäßigte und radikalere Kräfte. Wenige Stunden später finden MSPD und USPD jedoch zunächst einen Kompromiss und bilden mit je drei Vertretern die revolutionäre Reichsregierung, den "Rat der Volksbeauftragten". Währenddessen teilt General Groener Kaiser Wilhelm II. endlich mit, dass sich das Heer von ihm losgesagt hat. Der Kaiser dankt ab, die preußisch-deutsche Monarchie ist beendet, der Vorsitzende der (M)SPD Friedrich Ebert ist Reichskanzler.

Die Spitzenvertreter der SPD in Berlin, die vor Tagen noch in der Hoffnung auf eine allmähliche Weiterentwicklung des politischen Systems die Revolution verhindern wollten, setzen sich jetzt beruhigend an die Spitze. Sie haben zunächst das Ziel, die Versorgung im Reich und die Rückführung des Heers zu organisieren: Die SPD genießt in weiten Teilen der Arbeiterschaft und bei vielen Revolutionären großes Vertrauen. Doch in der außergewöhnlichen Situation setzen auch bürgerliche Kreise auf die Sozialdemokratie, um die von ihnen gefürchtete – so genannte "bolschewistische" – Revolution nach russischem Vorbild zu verhindern.

Der Rat der Volksbeauftragten, den die Vollversammlung der Arbeiter- und Soldatenräte am 10. November in Berlin als provisorische Regierung bestätigt hatte, akzeptierte zunächst die Waffenstillstandsbedingungen. Ansonsten entschieden sich die Verantwortlichen gegen die direktdemokratische Räterepublik und für den Weg über demokratische Wahlen zur verfassungsgebenden Nationalversammlung, die dann die Entscheidung über die künftige Staatsform treffen sollte. Justiz und Verwaltung sollten weiterwirken, um Ernährung und Demobilmachung sicherzustellen, auch das Militär ließ man weitgehend unangetastet: Die alten Herrschaftseliten behielten ihre Macht, als hätte es keine Revolution gegeben. Aber: Der Allgemeine Kongress der Arbeiter- und Soldatenräte Deutschlands beschloss im Dezember 1918 erstmals das allgemeine demokratische Wahlrecht und das Frauenwahlrecht. Außerdem führten die neuen Machthaber den 8-Stunden-Arbeitstag, die Freiheit für Gewerkschaften und die betriebliche Arbeitnehmervertretung ein; sie versuchten damit, einen Ausgleich zwischen den Bedürfnissen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern zu schaffen.

Nach einer Ergebenheitserklärung der Obersten Heeresleitung (OHL) gegenüber der neuen Regierung ging Ebert den Schulterschluss mit der Militärspitze ein. Weihnachten 1918 kam es zu Schießereien zwischen regulären Truppen und radikal-revolutionären Soldaten, die versuchten, ihre politischen Ziele auf der Straße durchzusetzen. In der Folge verließen die USPD-Vertreter den Rat der Volksbeauftragten – die Regierungsgewalt lag damit allein bei der (M)SPD – aus dem Spartakusbund gründete sich die "Kommunistische Partei Deutschlands" (KPD). Die Konflikte spitzten sich zu, gewalttätige Straßenkämpfe begannen. Die vermeintliche Zusammenarbeit der (M)SPD-Führung, namentlich auch des inzwischen zum Volksbeauftragen ernannten Noske, mit "Freikorps" und vor allem die Morde an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht trugen weiter zur Radikalisierung eines erheblichen Teils der enttäuschten Arbeiter bei. Anfang 1919 fanden fast überall im Reich größere Streiks und Demonstrationen und härtere Auseinandersetzungen statt als im November 1918, die (M)SPD-Führung und Militärspitze gewaltsam niederschlagen ließen.

Neben der in MSPD, USPD und KPD gespaltenen, ehemals revolutionären Bewegung stand ein zersplittertes bürgerliches Lager mit noch während der Revolution gegründeten Parteien: die liberale "Deutsche Demokratische Partei" (DDP) und das katholische "Zentrum" trugen die Republik, die nationalliberale "Deutsche Volkspartei" (DVP) und die monarchistische "Deutschnationale Volkspartei" (DNVP) kämpften gegen eine parlamentarische Demokratie. Deutschland war Anfang 1919 innenpolitisch zerrissen, über die zukünftige Ausformung des Staates herrschten bei den Parteien entgegen gesetzte Ansichten. Die Mehrheit der Wähler stimmte bei den Wahlen zur verfassungsgebenden Nationalversammlung am 19. Januar 1919 für die Demokratie: SPD, DDP und Zentrum erhielten zusammen 76,1 % der Stimmen und bildeten eine Koalition.

Die politische Bilanz des Jahres 1919 war gemischt: Gewalt und Straßenkämpfe blieben an der Tagesordnung. Die Nationalversammlung stimmte für die Annahme des "Versailler Vertrages" und akzeptierte damit die Friedensbedingungen der Alliierten. Kriegsende, Rückführung der Soldaten, Umstellung der Wirtschaft auf Friedensproduktion und Lebensmittelversorgung der Bevölkerung waren ohne Chaos gelungen, auch der Übergang zur parlamentarischen Demokratie. Außerdem hatte Deutschland sich eine demokratische Verfassung gegeben. Aber: Enttäuschungen beim linken Flügel der Arbeiterbewegung, Mythenbildungen – wie die "Dolchstoßlegende" – bei den Rechten bestimmten die Öffentlichkeit. Nur die Hälfte der Bevölkerung stand um 1920 zur Republik und zur Verfassung.

Diese Geschichte erscheint in folgenden Themen:
Revolution 1918-1920
Um diese Inhalte anzusehen, wird der Flashplayer 9 benötigt. Zum Download
multimediaMultimedia
photosAbbildungen
imageBiografien
lexiconLexikon
sourceQuellen
quotesZitat
bibliographyLiteratur