v i m u . i n f o
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Walter Christiansen

"Frühmorgens, wenn der Hahn krähte, mußte ich aus dem Bett. Das war so zwischen vier und fünf Uhr im Sommer. Dann mußte ich die Kühe von der Weide holen und beim Melken helfen. Hernach trieb ich die Kühe wieder auf die Weide. Dabei lernte ich unterwegs für die Schule, die herausgerissenen Buchseiten trug ich mit mir unter der Mütze. Danach mußte der Stall ausgefegt werden, erst dann gab es Frühstück, und dann schnell in die Schule. Wenn es in der Erntezeit am Vormittag regnete, war ich froh, denn dann wurde ich jedenfalls nicht am Vormittag schon aus der Schule geholt. Nach der Schule gab es ein kräftiges Mittagessen. In der Mittagsstunde, wenn die anderen schliefen, machte ich meine Schularbeiten. Am Nachmittag ging es wieder an die Feldarbeit: Maulwurfshügel mit der Schaufel auseinanderschlagen, Torf stechen, in den Hackfrüchten das Unkraut hacken, Heu harken, Korn zusammenhocken und binden....
Endlich war Feierabend! Zum Abendbrot stand in der Küche die große Bratpfanne auf dem Tisch, alle saßen drum herum und langten zu. Wenn man Pech hatte, dann war der Pfannenstiel auf einen gerichtet und man mußte herumlangen, und das kostete Zeit. Auch gab es Grütze und Milch, abwechselnd warm und kalt. Dazu einige Schnitten Brot mit Fett bestrichen.
Vor der Schlafenszeit saßen wir alle noch etwas draußen vor der Stalltür beieinander. Die Herrschaften natürlich nicht, die saßen drinnen in der gemütlichen Stube.
Wir haben uns etwas erzählt und hin und wieder auch gesungen. Die Müdigkeit überfiel uns schnell, und bald waren wir in unserer Knechtkammer verschwunden, wo der Großknecht, der zweite Knecht und ich schliefen. Die Kammer lag unmittelbar hinter dem Pferdestall und neben dem Kälberstall. Der Raum war gerade so groß, daß zwei Betten, ein Schrank und mein kleiner Koffer darin Platz hatten. Der zweite Knecht und ich schliefen in einem Bett, unter uns eine große Roggenstrohunterlage als Matratze. Der beißende Dunst aus dem Stall drang durch die Ritzen der Tür in den Raum. Unzählige Wasserperlen hingen an der Decke, daher krochen wir ganz unter die Decke, damit wir nicht naß wurden. Der Bettbezug war rauh und kratzte am ganzen Körper, denn er ist eigengewebt und war schon sehr alt und ausgefranzt. Wenn ich das Dienstmädchen fragte, wann die Bettwäsche gewechselt wurde, dann antwortete es: ‚Wenn es braun ist!'
Die Bettgestelle standen auf vier Füßen, die, von zwei dicken Brettern gehalten, über eine metertiefe Gruft gelegt waren. Darunter war der Kartoffelkeller, und im Frühjahr wuchsen die langen Keime oft ins Bett hinein. Das Fenster des Zimmers lag nach Norden, daher gab es niemals Sonne. Ein weiteres kleines Halbmondfenster ließ nur sehr wenig Licht durch. Wir hatten eine kleine Scheibe herausgenommen und einen Sack in die Öffnung gesteckt, wodurch wir unseren Sauerstoffbedarf regulierten. Unsere Kleider im Schrank rochen nach Moder und Schimmel, dazu roch das mit Tran bestrichene Pferdegeschirr, das an der Wand hing, übel."
Walter Christiansen schildert in diesem Textauszug, wie er sich als 11-jähriger um 1920 in Karlum bei Niebüll als Hirtenjunge sein Brot verdient. Er ist gegen Kost und Logis auf einem Hof einquartiert und erhält im ersten Jahr zusätzlich ein Kilo Butter und 25 Kilo Roggen im Monat - für seine Familie ein wichtiges Einkommen.
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